HR-Erinnerungen ans Pokalfinale - HEBC zeigt: "Wir sind noch da!"

Barthel bedient: "Wir haben uns nicht belohnt, sondern auf die Fresse gekriegt"

15. Oktober 2017, 20:34 Uhr

Die Spieler des HEBC bejubeln den Heimerfolg gegen den gefallenen Spitzenreiter aus Halstenbek und halten den Spitzenkampf in der Landesliga Hammonia offen und spannend.

40 Minuten lang spielte die SV Halstenbek-Rellingen einen unheimlich gepflegten Ball und unterstrich als Tabellenführer der Landesliga Hammonia die eigenen Ambitionen äußerst eindrucksvoll. Doch dann zeigte sich, was eine Aktion so alles ausmachen kann – und wie schnell ein Fußballspiel kippen kann. Sogar so sehr, dass sich HR-Coach Heiko Barthel an das Pokalfinale zurückerinnert fühlte, wie er zugab. „Erst kassierst du mit der allerersten Aktion des Gegners den Ausgleich, dann eine Rote Karte – und auf einmal gehst du völlig bedröppelt in die Kabine. Ich hatte mir die Worte vorher schon zurechtgelegt und musste im Nullkommanichts komplett umschwenken, weil wir psychologisch gleich doppelt einen auf die Mütze bekommen haben!“

Ehe es allerdings so weit war, deuteten die Gäste in der 16. Minute ihr ganzes spielerisches Können an: Yannick Sottorf mit einem herausragenden Diagonalball auf den links startenden Emre Yayla – und dessen Querpass auf Höhe des Sechzehners verwertete Raffael Kamalow per Direktabnahme ins linke untere Toreck! Ein Angriff, der kaum zu verteidigen war. Einzig HEBC-Außenverteidiger Maximilian Schulz hätte die Stafette an der Mittellinie unterbinden können, kam aber einen Schritt zu spät. Auch in der Folge machte der Oberliga-Absteiger das Spiel und kam zu weiteren Abschlüssen – bis zur 41. Spielminute. „Die erste richtig gute Aktion“, erkannte auch HEBC-Trainer Marco Fagin nach dem Spiel neidlos an. Aber die war dann tatsächlich sehr ansehnlich: Juro Julardzija mit dem tollen Steilpass, Stefan Hermes kam vor dem herauseilenden Patrick Jobmann an den Ball, wurde aber etwas zu weit abgedrängt. Doch er bewies Auge, bediente Ole Natusch – und dieser jagte das Runde ins Eckige – 1:1 (41.)! Eben jener Ole Natusch stand auch wenige Augenblicke darauf im Blickpunkt, als Alexander Krohn verletzungsbedingt liegenblieb und der HEBC-„Captain“ den Torabschluss suchte. Dieser Umstand veranlasste Natuschs ehemaligen Mitspieler aus Niendorfer Zeiten, Benjamin Brameier, dazu, seinen Ex-Mitstreiter mit beiden Armen zu Boden zu schubsen. Schiedsrichter Murat Yilmaz (FC Türkiye) zeigte dem HR-Kapitän, der schon gegen Niendorf II des Feldes verwiesen wurde, glatt Rot (45.)!

„Eine doofe Situation“, fasste Fagin treffend zusammen – und führte dann aus: „Der Frust war der, dass das Spiel weiter lief. Aber der Ball rollt genau in den Sechzehner, da spielst du das halt zu Ende. Und ich glaube auch nicht, dass Ole das gesehen hat, dass da in seinem Rücken ein Spieler liegen geblieben ist. Die Situation an sich mit dem Platzverweis war unstrittig.“ Heiko Barthel meinte derweil: „Ich selbst habe die Situation nicht gesehen. Ich habe Krohner nur schreien gehört, alles Drumherum ausgeblendet und bin schnell auf den Platz gelaufen, weil ich die Befürchtung hatte, dass es ernster sein könnte. Mittlerweile habe ich zwei Visionen gehört und ich weiß nicht, ob man sagen kann: Die Wahrheit liegt in der Mitte. Fakt ist aber, dass es dadurch ein komplett anderes Spiel wird. Ole hat das Maximale aus dieser Sache rausgeholt. Ob das was mit Fairplay zu tun hat, ist eine andere Frage.“ Fakt ist, dass Natusch in der Vergangenheit durch eine ganz große Fairplay-Geste von sich reden machte (HIER gibt's den Bericht dazu).

HEBC-Verwunderung über Halstenbeker Passivität

Und genauso richtig ist die Tatsache, dass es nun ein komplett anderes Spiel wurde. „Das Gute ist, dass wir weiter gemacht, unseren Faden nicht verloren haben und relativ ruhig geblieben sind, obwohl das Spiel bis dahin von uns sehr fahrig und HR besser drin war“, konstatierte Fagin. Sein Gegenüber fand noch deutlichere Worte: „Es hört sich nach einem 1:4 vielleicht blöd an und ich will auch kein schlechter verlieren sein, aber ich habe den HEBC zu Hause noch nie so lahm, ohne Power und erschreckend schlecht gesehen. Ich kam mir nicht vor wie am Reinmüller.“ Das änderte sich jedoch im zweiten Abschnitt, als keine sieben Zeigerumdrehungen vorüber waren, Fabian Lemke einen Eckball kurz ausführte – und Stefan Hermes die butterweiche Hereingabe von Maximilian Schulz schulbuchmäßig ins rechte Eck schädelte. 2:1! „Wir wollten uns erstmal fangen und versuchen, kein Tor zu kassieren, auf Konter und Nadelstiche setzen. Aber dann fällt das Gegentor leider relativ früh und danach war der Glaube auch ein bisschen weg. Wir haben auf die eine Situation gewartet, aber die kam nicht“, so Barthel, dessen Elf in der Folge mit der taktischen Marschroute ein Stück weit überraschte. Denn der HEBC konnte den Ball phasenweise minutenlang in der eigenen Hälfte durch die eigenen Reihen zirkulieren lassen, ohne dabei auch nur ansatzweise unter Druck zu geraten. „Es war sogar die Ansage, dass wir das jetzt 45 Minuten lang so spielen. Wenn sie nicht kommen, müssen wir ja nicht mitmachen und ins offene Messer laufen. So passiv hätte ich sie nicht erwartet“, gestand Fagin, der daraufhin mit einem offensiven Doppelwechsel reagierte, der sich bezahlt machen sollte.

"Wollten ein Zeichen setzen!" - HEBC-Joker schlagen voll ein

Janosch Rinckens und Kjell Brumshagen betraten in der 74. Minute den Platz und sorgten keine 240 Sekunden darauf für die Vorentscheidung – nachdem der ganz starke Felix Hackstein aus dem Zentrum in die Schnittstelle passte, Rinckens auf und davon war, aber völlig uneigennützig noch einmal querlegte für den mitgelaufenen Brumshagen, der keine Mühe mehr hatte (78.)! Das neue Duo sorgte auch anschließend immer wieder für Gefahr. Erst behauptete sich Rinckens gegen zwei Mann, dann kam der Ball über Natusch und Lemke zu Brumshagen, der am Lattenkreuz scheiterte (83.). Kurz vor Ultimo bekam dann auch noch Rinckens selbst die große Chance – nach ewig langer Verletzungspause – auf sein erstes Saisontor. Und er nutzte sie! Hermes bediente unter Bedrängnis Lemke, der sofort durchsteckte. Der „Sturm-Hüne“ startete aus stark abseitsverdächtiger Position und vollendete zum 4:1-Endstand (89.)! „Wir wollten mit dem Wechsel ein Zeichen setzen“, erklärte Fagin. Denn: „Irgendwie vergisst man uns ja im Moment. Es war schon ein Ansinnen, zu zeigen: Wir sind noch da! Und natürlich wollten wir auch weiter nach vorne spielen. Es ging aber auch darum, dass das Spiel nach dem 2:1 einschlief und der Gegner – wir haben heute immerhin gegen den Tabellenführer gespielt, ob in Unterzahl oder nicht – hat nicht unbedingt den Eindruck vermittelt, unbedingt noch ein Tor schießen zu wollen. Ich wollte die Räume besser bedienen und das hat super geklappt.“

"Mit Elf gegen Elf hätten wir das Spiel nicht verloren"

HR-Übungsleiter Barthel wollte sich über das vermeintliche Abseits vor dem vierten Gegentreffer „nicht aufregen“, dafür bemängelte Sportchef Oliver Berndt, dass den Halstenbekern unmittelbar vor der Roten Karte gegen Brameier, der seinem Team einen riesen Bärendienst erwies, nach einem Duell zwischen Schulz und Samir Kabashi kein Elfmeter zugesprochen wurde (44.). „Zur Schiedsrichter-Leistung will und werde ich mich nicht äußern. Ich hab da meine eigene Meinung, aber die muss ich jetzt nicht öffentlich breittreten“, so Barthel, der anfügte: „Wir haben uns selbst nicht für die starke erste Halbzeit belohnt, sondern am Ende richtig auf die Fresse gekriegt! Dabei war es bis zur 41. Minute ein Totentanz, hier war nichts los. Wir haben es bis dahin sehr gut umgesetzt, uns dann aber selbst das Standbein weggekickt. Mit Elf gegen Elf hätten wir das Spiel nicht verloren, da bin ich mir sicher.“ Doch am Ende zeigten die Eimsbütteler eine ihre entscheidenden Qualitäten. Fagin: „Wir verfallen ja auch nicht in Hektik, wenn‘s mal nicht so läuft.“

Autor: Dennis Kormanjos