Landesliga Hansa

„Ich hasse den Sport, aber ich liebe ihn auch!“

05. August 2023, 19:43 Uhr

In der Nachspielzeit ließ "Wirbelwind" Owusu Kofi Manu den VfL Lohbrügge jubeln und sorgte für den verdienten 1:1-Ausgleichstreffer. Foto: noveski.com

Der Fußball kann so schön, aber manchmal eben auch bitterböse sein. „Ich hasse den Sport, aber ich liebe ihn auch“, entfuhr es Elvis Nikolic in der fünften Minute der Nachspielzeit an der Seitenauslinie. In einem hochemotionalen, umkämpften und überaus spannenden Spiel entwickelte sich für Nikolic‘ VfL Lohbrügge ein regelrechtes Wechselbad der Gefühle (alle Highlights im LIVE-Ticker). Aber auch für die HT 16. „Wir haben uns das Leben heute selbst schwer gemacht“, konstatierte Erdinc Örün – und fügte an: „Solange es ‚nur‘ 1:0 steht, schnuppert der Gegner noch an der Wurst und kämpft um einen Punkt. Das ist Fußball. Das ist das kleine Einmaleins. Damit müssen wir jetzt leben und uns die Punkte eben woanders holen.“

Routinier Kevin Zschimmer (li.) hätte den VfL Lohbrügge bereits in der Anfangsphase in Führung bringen können, scheiterte aber zweimal an Faruk Müller. Foto: noveski.com

Er stellte die Hintermannschaft der HT 16 in der Anfangsphase vor große Probleme. Ein Torerfolg war Kevin Zschimmer allerdings nicht vergönnt. Bereits nach 20 Sekunden prüfte er Faruk Müller das erste Mal. In der Folge zwang er den Schlussmann der Hamburger Turnerschaft zu zwei Riesenreflexen aus kurzer Distanz (5., 19.)! Der Routinier des VfL Lohbrügge bereitete den Gästen - im Verbund mit seinen jungen, wilden Teamkollegen - ziemliche Schwierigkeiten. Zwar kam der älteste Sportverein der Welt auch zu Einschusschancen durch Caleb Awuah oder den überraschten Gökhan Iscan nach einer Ecke - doch insgesamt wirkte die HT in der Vorwärtsbewegung zu kompliziert und im Rückwärtsgang zu behäbig.

Iscan-Auswechslung sorgt für Wende

Vom Punkt scheiterte Gökhan Iscan (li.) an VfL-Keeper Said Sigarieazar, aber im Nachsetzen brachte er seine HT 16 auf die Siegerstraße. Foto: noveski.com

Die Führung nach 27 Zeigerumdrehungen war zu diesem Zeitpunkt eher glücklich - auch das Zustandekommen: Nach einem Einwurf schüttelte Jeremy Baur seinen Widersacher ab und beförderte das Spielgerät aus kürzester Entfernung an den Arm von Shadrack Hoffmann. Referee Paul Dühring (SVNA) zeigte auf den Punkt und Iscan fand in Said Sigarieazar seinen Meister. Der Schlussmann konnte den Ball fast festhalten. Aber auch nur fast. Der Captain setzte nach und grätschte das Runde ins Eckige! Der sehr unglückliche Awuah hätte den Vorsprung vor der Pause gar verdoppeln können, traf freistehend aber nur den Außenpfosten (40.) und vergab dann unmittelbar nach Wiederanpfiff kläglich (49.).

Eine Stunde war am Binnenfeldredder mittlerweile vorüber, als HT-Trainer Erdinc Örün überraschenderweise seinen Mittelfeld-Lenker Gökhan Iscan vom Platz nahm. „Er war zwei Wochen im Urlaub und ist jetzt erst seit einer Woche wieder da“, begründete Örün die Entscheidung. „Er hat sich im Urlaub zwar fit gehalten, aber das ist eine andere Fitness. Und ‚Göki‘ sagt selbst, dass er noch Spiele braucht. Natürlich ist er auf dem Feld unser Leader und weiß genau, wie sich die Jungs zu stellen haben. Aber die Kraft ist noch nicht da.“

"Haben eine so hohe Qualität verloren, die nicht zu ersetzen ist"

Dem vorausgegangen war ein umstrittener Handelfmeter: Shadrack Hoffmann (re.) bugsierte sich den Ball versehentlich selbst an den Arm. Foto: noveski.com

Mit der Auswechslung von Iscan verlor der Gast komplett die Struktur. „Das müsst ihr doch merken, dass da was geht“, witterte Elvis Nikolic an der Seitenlinie die Chance – und trieb seine „Young Boyz“ nochmal nach vorne. Der VfL versuchte wirklich alles – während die Örün-Elf von Minute zu Minute mehr und mehr um den Ausgleich bettelte. Das Manko: Die fehlende Durchschlagskraft vor des Gegners Tor. „Wir haben einfach mit Pascal Bäker und Christian Degener so eine hohe Qualität verloren, die nicht zu ersetzen ist. Das fehlt uns noch, dass wir in der Box gefährlicher und noch eiskalter werden. Denn so gewinnt man Sicherheit – gerade als junge Mannschaft“, so Nikolic.

Lohbrügge schaltet schnell - und macht den Last-Minute-Ausgleich

Während die Spieler der HT 16 reklamieren, zappelt der Ball im Netz und Lohbrügge bejubelt den Last-Minute-Ausgleich. Foto: noveski.com

Seine Rasselbande steckte aber nicht auf. 120 Sekunden vor Ultimo jagte Fabian Müller-Blech einen Freistoß – fast von Höhe der linken Eckfahne – an die Unterkante der Latte (88.). Ein Raunen bei Nikolic und dem Lohbrügger Anhang. Wenige Augenblicke später bekam Franklin Weber nach einem leichten Stoß in den Rücken einen ruhenden Ball auf Höhe der Mittellinie zugesprochen. Während sich die HT 16 noch sammelte, führte Müller-Blech den Standard geistesgegenwärtig aus. Jannis Pangalos steckte genau im richtigen Moment für „Wirbelwind“ Owusu Kofi Manu durch – und dieser sorgte für pure Ekstase. 1:1 (90.)! „Das haben die Jungs wirklich super gemacht und ganz schnell geschaltet“, lobhudelte Nikolic seine Youngster.

In den sage und schreibe zehn (!) Minuten Nachspielzeit hatte Özgür Bulut die größte Chance auf den „Lucky Punch“, konnte Said Sigarieazar aber nicht überwinden (90. +6). Und so blieb es beim völlig verdienten 1:1-Unentschieden. „Ich glaube sogar, dass aufgrund der zweiten Halbzeit ein Sieg drin war. Aber HT hatte auch seine Chancen. Von daher geht ein Unentschieden insgesamt in Ordnung“, bilanzierte auch Nikolic. „Positiv ist, dass wir in der zweiten Halbzeit ordentlich Druck gemacht, es immer wieder versucht und nie aufgegeben haben. So haben wir uns das Tor erzwungen.“ Man müsse aber noch lernen, „konstant über einen längeren Zeitraum und nicht nur phasenweise gut zu spielen. Aber ich nehme das bei dieser extrem jungen Mannschaft, die ihre ersten Schritte im Liga-Bereich macht, auch in Kauf. Wir müssen Geduld haben.“ Denn auf der anderen Seite hat Lohbrügge nun zweimal nicht verloren. „Uns zu schlagen, ist scheinbar auch nicht so einfach“, entgegnete Nikolic mit einem Augenzwinkern auf Nachfrage.

"Natürlich tut das weh!"

Ein völlig frustrierter Andreas Goldgraebe nach Schlusspfiff. Foto: noveski.com

Auch Örün gestand: „Die Jungs haben gekämpft und gezeigt, dass sie noch einen Punkt haben wollen. Das haben sie erreicht. Und das müssen wir akzeptieren.“ Dennoch haderte er damit, dass „die Räume da waren, wir diese aber zu schlecht ausgenutzt und bespielt haben“, ärgerte er sich vor allem darüber, dass seine Mannen „das Spiel zu langsam gemacht“ und „den Sack nicht schon vorher zugemacht haben“. Für ihn sei das auch eine Frage der Einstellung, wie er sagte. „Du musst einfach nachlegen, dann kommen die gar nicht mehr zurück. Natürlich tut das weh, weil du so ein Spiel gewinnen musst.“

Autor: Dennis Kormanjos

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