Oberliga

„Josh“ jubelt, Stier schäumt: „Hätten das 3:2 machen müssen und kriegen mit der letzten Aktion so ein Eiertor!“

09. September 2023, 11:57 Uhr

Sehr verhalten bejubelt Nick Scharkowski (Mi.) seinen "Lucky Punch" zum 3:2-Sieg für Vicky in der Schlussminute. Foto: Matthias Wenner/SCV

An eben jenem Ort schrieb der TSV Sasel am 28. April 2023 Vereinsgeschichte: Durch den 3:0-Erfolg beim SC Victoria Hamburg krönten die „Parkwegler“ eine unglaubliche Saison mit der Hamburger Meisterschaft. Nach der knappen 0:1-Niederlage im Pokalfinale gegen den klassenhöheren FC Teutonia 05 (03. Juni) kehrte der amtierende Oberliga-Champion nun erneut ins Stadion Hoheluft zurück – allerdings unter anderen Voraussetzungen. Sowohl bei Vicky als auch bei Sasel hat es im Sommer einen größeren Umbruch gegeben. Spannung war dennoch garantiert!

Wie schon gegen Tornesch, bejubelt Dennis Bergmann (Mi.) seinen Torerfolg zur 1:0-Führung mit einer ganz besonderen Geste. Foto: Matthias Wenner/SCV

Es lief bereits die letzte Spielminute, als Sasel-Verteidiger Marius Mohr bei einer Klärungsaktion und dem weiten Befreiungsschlag im eigenen Sechzehner – ohne Fremdeinwirkung – zusammensackte und am Boden liegen blieb. Der TSV blieb in Ballbesitz, Simon Siegfried setzte noch ein vermeintlich letztes Mal zum Sturmlauf an und wollte Jean-Lucas Gerken mitnehmen. Doch der Angriff wurde abgefangen und der postwendende Gegenzug rollte. Luca Ernst und Dennis Bergmann spielten im rechten Halbfeld einen Doppelpass – während der sich aufrappelnde Mohr das Abseits aufhob. Ernst steckte für Nick Scharkowski durch. Und der Torjäger setzte den Lucky Punch zum 3:2-Sieg – (90.)!

„Den macht in dieser Situation vermutlich kein anderer“, jubelte SCV-Coach Joshua Krause – und lobhudelte sein Team: „Wir haben einfach diese Mentalität, die uns lange gefehlt hat und Victoria wieder stark macht. Ich bin sehr stolz auf die Mannschaft und auf die Jungs im Einzelnen, wie sie sich entwickelt haben. Für mich als Trainer gibt es in der aktuellen Situation keine Mannschaft, die ich lieber coachen will!“

"Ein ganz, ganz bitterer Abend für uns"

Das 2:0 kurz vor der Pause: Erneut lässt Dennis Bergmann (re.) Johannes Höcker keine Abwehrchance. Foto: Matthias Wenner/SCV

Freude auf der einen, pure Ernüchterung und Ärger auf der anderen Seite: „Wir hätten 3:2 führen müssen und kriegen dann mit der letzten Aktion, wo Marius Mohr mit einer schweren Adduktorenverletzung am eigenen Sechzehner am Boden liegen bleibt, dadurch das Abseits aufhebt und Victoria weiterspielt, das Gegentor“, ärgerte sich Sasel-Trainer Marco Stier – und sprach auf zwei Riesenchancen von Simon Siegfried und Tim Jeske an. „Beide laufen blitzeblank auf das Tor zu. Der eine schießt drüber weg, der andere links neben den Pfosten“, konnte es Stier kaum glauben. „Ein ganz, ganz bitterer Abend für uns! Vicky hat sehr wenig für das Spiel gemacht, war nur auf lange Bälle und auf Standards getrimmt.“

"Vicky hat nur auf Fehler von uns gewartet"

Der Saseler Andranik Ghubasaryan (li.) versucht mit vollem Einsatz, dem eingewechselten Victorianer Luca Ernst den Ball vom Fuß zu stibitzen. Foto: Matthias Wenner/SCV

Das sah sein Gegenüber anders. Aber der Reihe nach. „In den ersten zehn Minuten waren wir nicht im Spiel drin. Wir haben Vicky anders erwartet und gehen durch einen individuellen Fehler, weil wir einfach nicht am Mann dran sind und ihn unbedrängt schießen lassen, in Rückstand“, beklagte Stier den fehlenden Zugriff vor dem 0:1. Charles Kouakou bediente den immer mehr aufblühenden Bergmann, der aus der Drehung trocken vollstreckte (7.). „Wir haben Sasel in den ersten zehn, 15 Minuten komplett dominiert, das Spiel teilweise sogar in deren Hälfte aufgebaut und hatten zwei, drei absolute Hochkaräter, wo man eigentlich schon das 2:0 machen muss“, befand Krause. „Dann wurde Sasel etwas stärker, was man ja auch erwartet hat und erwarten musste.“

Während Stier konstatierte: „Nach dem Rückstand hatten wir das Spiel aber sowas von im Griff“, sah er zwei Großchancen von Benjamin Dreca, der per Kopf knapp vorbei zielte, und Siegfried, wo Hendrik Rabe das Leder noch an die Latte lenken konnte. „Wir hatten viel mehr Spielanteile und haben außer dem Tor gar nichts mehr zugelassen. Vicky hat nur darauf gewartet, dass wir vorne den Ball verlieren und die mit langen Bällen ihre schnellen Leute in Aktion bringen können“, so Stier, der auch die „gefährlichen Einwürfe“ des Gegners hervorhob.

Trainer mit gegensätzlicher Einschätzung

Der Siegtreffer in der Schlussminute: Nick Scharkowski (Mi.) fackelt nicht lange, trifft in Torjäger-Manier trocken zum 3:2 - und sorgt für Ekstase an der Hoheluft. Foto: Matthias Wenner/SCV

Doch dann: Luca Palzer brachte abermals Bergmann in Aktion – 2:0 (42.)! Die „Parkwegler“ schlugen aber noch vor der Pause in Person von Dreca zurück (45.). „Wir machen das 2:0 und haben vor der Pause eine Situation, wo wir den Ball sauber klären müssen, aber versuchen, es spielerisch zu lösen, den Ball verlieren und dadurch das 1:2 kriegen. So gehst du in die Kabine und denkst dir: Es ist nicht so sicher, wie es sein sollte und eigentlich auch sein müsste, weil Sasel bis dahin eigentlich nicht gefährlich war und wir sie gut im Griff hatten“, meinte Krause. Der Anschlusstreffer gab dem Meister aber neuen Mut: „Da für mich wenig Spielidee beim Gegner zu erkennen war, habe ich den Jungs gesagt, dass wir das Spiel zu 100 Prozent drehen werden“, war sich Stier sicher.

Und tatsächlich: Unmittelbar nach Wiederanpfiff sorgte Siegfried für das 2:2 (47.). „Das war wirklich sehr gut von Sasel gespielt“, zog selbst Krause den Hut vor dem Angriff der Saseler – und machte in der Folge einen „Schlagabtausch“ aus, „in dem beide Mannschaften auf Sieg gegangen sind und Großchancen hatten“. Stier dazu: „Nach dem wieder blöden Gegentor in einer Phase, wo wir am Drücker waren, haben wir erneut Mentalität und unser wahres Gesicht gezeigt. Wir waren klar die bessere Mannschaft! Natürlich ist man auch ein Stück weit offen, wenn man so einen offensiven Spielstil präferiert. Aber man hat gemerkt, dass wir uns mit dem 2:2 nicht zufriedengegeben haben. Wir sind weiter vorne angelaufen und haben Chancen kreiert. Vielleicht hätte ich als Trainer sagen können: Wir nehmen den Punkt mit. Aber dadurch, dass Vicky eigentlich nichts gemacht hat, haben wir gesagt, dass wir das Spiel unbedingt gewinnen wollen, weil das auch absolut machbar war und wir die klaren Feldvorteile hatten. Aber letztendlich ist es auch ein bisschen Lotterie – und dann verlierst du durch so ein Eiertor!“

"Sind sehr stolz, den Meister geschlagen zu haben"

Spieler und Verantwortliche des SCV lassen ihrer Freude nach dem späten Punch zum Sieg freien Lauf. Foto: Matthias Wenner/SCV

Und einen weiteren Spieler hat man mit Marius Mohr wohl zusätzlich verloren. „Das ist der nächste Nackenschlag und jetzt schon der zehnte Verletzte. Wir haben noch zwölf Spieler, was es echt bitter macht“, haderte Stier mit der Personalseuche. „Aber meine jungen Burschen machen das wirklich super. Und ich sage ganz ehrlich: Wir haben diese Niederlage nicht verdient.“ Dagegen sprach Krause von „insgesamt drei verdienten Punkten, die an der Hoheluft bleiben“. Und abschließend: „Wir sind und bleiben demütig, wissen, dass es auch Rückschläge geben wird. Nichtsdestotrotz sind wir sehr stolz, dass wir den Meister hier zu Hause geschlagen haben.“

Autor: Dennis Kormanjos