LOTTO-Pokal

Ein „verdienter“ Tauben-Höhenflug: Paloma verpasst Norderstedt „eine richtig herbe Klatsche“!

16. August 2023, 00:56 Uhr

Nach dem vorentscheidenden Treffer zum 3:1 durch Haron Sabah brachen bei Spielern und Anhängern des USC Paloma alle Dämme. Foto: Olaf Both

Er müsse „erst einmal kurz runterkommen“ und die insgesamt beinahe 100 hochintensiven Minuten „verdauen“, war Marius Nitsch nur wenige Augenblicke nach dem großen Coup seines USC Paloma noch voll im Adrenalinrausch. „Ich finde, unser Matchplan hat voll gegriffen und wir haben das richtig gut gemacht“, zog der Cheftrainer des Oberligisten den Hut vor seiner Mannschaft, die in der dritten Pokalrunde dem favorisierten Regionalligisten FC Eintracht Norderstedt ein abermals vorzeitiges Ende verschaffte. Mit 3:1 (alle Highlights im LIVE-Ticker) zwang der klassentiefere Widersacher von der Brucknerstraße den Titel-Aspiranten in die Knie, sorgte für pure Ekstase an der Brucknerstraße und deftige Katerstimmung bei den Gästen!

Nils Brüning (2. v. li.) brachte den Favoriten früh in Führung und alles schien seinen Gang zu gehen... Foto: Olaf Both

Olufemi Smith, der seine Trainerlaufbahn einst beim USC Paloma begann, zog sich unmittelbar nach dem frühen Ausscheiden seines Teams erst einmal zur Kurz-Analyse mit seinem Trainerteam zurück. Kurz darauf stellte er sich den Fragen – und gab unumwunden zu: „Dass wir jetzt schon die Segel streichen müssen, das ist ein herber Schlag! Aber alles in allem ist das aus Paloma-Sicht nicht unverdient. Wenn wir so einen Auftritt hinlegen und nicht konsequent genug in der Arbeit gegen den Ball und im Abschluss sind, dann müssen wir das akzeptieren. Paloma hat das heute besser gemacht.“

Dabei erwischte der Regionalligist den besseren Start. Manuel Brendel hielt den Ball zunächst äußerst artistisch mit der Hacke im Spiel und ließ mit seinem dann folgenden und gänzlich harmlos anmutenden Versuch Tjark Grundmann im Tor der Hausherren gar nicht gut aussehen. Der Keeper ließ den Ball prallen, Kevin Prinz von Anhalt scheiterte im Nachsetzen – aber Nils Brüning brachte das Runde im Eckigen unter (7.)! „Wir sind eigentlich super ins Spiel gekommen und fangen uns dann durch einen Torwartfehler ein sehr bitteres Gegentor“, konstatierte Marius Nitsch – und erinnerte an das Spiel gegen Altona 93 (1:3), als Jonas Marschner im Gehäuse der „Tauben“ nicht gut aussah und einen Einwurf passieren ließ.

"Man hat uns das nicht angemerkt - wir haben weiter 'Fussi' gezockt"

Christian Merkle (Mi.) köpfte einen Spranger-Freistoß zum Ausgleich für den USC Paloma ein und ließ seiner Freude freien Lauf. Foto: Olaf Both

Wer nun allerdings glaubte, der Viertligist würde leichtes Spiel haben und seiner Rolle souverän gerecht werden, der sah sich schnell eines Besseren belehrt. „Chapeau an die Jungs und auch an Tjark, wie wir damit umgegangen sind“, zeigten sich Nitsch‘ Mannen unbeeindruckt. „Man hat uns das nicht angemerkt, wir haben weiter ‚Fussi‘ gezockt, wollten viel spielerisch lösen und haben einen mutigen Weg gegen den Ball gewählt. Vor zwei Jahren haben wir uns hinten reingestellt und 0:3 verloren. Deswegen haben wir uns gesagt, dass wir dieses Jahr eher den mutigen Weg wählen. Wir wollten Norderstedt richtig schön vor Aufgaben stellen.“ Gesagt, getan. Der alles überragende Christian Merkle köpfte völlig freistehend einen Freistoß von Felix Spranger zum Ausgleich ein (20.)!

Nach seinem frühen Fauxpas konnte sich Tjark Grundmann (li.) mehrfach auszeichnen, hielt seine Palomaten mit starken Paraden im Spiel und verhalf ihnen zum Coup. Foto: Olaf Both

„Wenn wir es auf den Punkt bringen wollen, dann müssen wir sagen, dass wir einfach nicht gut genug verteidigt haben. Das ist sehr augenscheinlich gewesen und am Ende hat uns das auch das Weiterkommen gekostet“, befand Smith – und fügte an: „In den Situationen, wo wir die Gegentore bekommen haben, waren wir einfach schläfrig.“ Die Mängel beim Ausgleich: „Wenn wir eine klare Mann-Zuteilung haben und gegen den Mann verteidigen wollen, dann müssen wir das auch konsequent machen. Stattdessen lassen wir ihn zwischen zwei Mann zum Kopfball kommen“, haderte der Eintracht-Coach – und hatte zunächst sogar noch Glück, dass Tom Wohlers freistehend an Lars Huxsohl hängenblieb und Haron Sabah am auf der Linie stehenden Moritz Frahm scheiterte (29.).

Eintracht "schießt Torwart berühmt", Paloma macht das "clever und gut"

Mit dem Pausenpfiff packte Tom Wohlers (Mi.) einen echten Hammer aus, schockte den Gast aus Norderstedt - und erzielte das 2:1. Foto: Olaf Both

Der „Riese“ für den USC zur Führung. Aber in der Folge konnte sich Paloma-Torsteher Grundmann, der einst sogar für Norderstedt aktiv war, mehrfach auszeichnen. Und wenn der Schlussmann mal nicht zur Stelle war, dann verhinderte ein sich aufopferungsvoll in den Schuss des Prinzen werfender Colin Blumauer den Einschlag (40.). Als alle Zuschauer an der Brucknerstraße bereits mit einem Remis zur Pause rechneten, leistete sich Kevin Kling den nächsten Lapsus, als er in der Nachspielzeit nach einem ganz langen Grundmann-Abschlag ohne jeden Gegnerdruck zu lange zögerte und den Ball herschenkte. Wohlers setzte nach, stibitzte dem Verteidiger das Leder vom Fuß – und jagte es aus gut 20 Metern rechts unters Gebälk – 2:1 (45. +2)!

„Natürlich müssen wir dann anders agieren, nach vorne noch mehr Druck ausüben und noch früher die Bälle gewinnen. Das gibt dem Gegner natürlich Räume“, sah Smith auf seine Equipe eine echte Herkulesaufgabe zukommen. „Paloma hat das mit dem 2:1 aber auch gut gemacht, stand tiefer und hat versucht, uns die Räume so eng wie möglich zu machen. Wir haben dann auch keine zwingenden Aktionen mehr gehabt – außer den Lattenkopfball“, sprach Smith auf eben jene Chance von Kling an (58.). Zuvor habe man „den Torwart auch noch berühmt geschossen“, so Smith.

Christian Merkle (un.) traf nicht nur vorne, sondern zeigte auch hinten in der Kette bis zu seiner Auswechslung eine bärenstarke Leistung. Foto: Olaf Both

Währenddessen stellte Nitsch in der Pause um, zog die Außenverteidiger etwas weiter nach innen – und nahm der Eintracht den Raum, auf einen der beiden Stürmer zu spielen. „Dagegen haben wir uns in der zweiten Halbzeit besser geschützt, weil wir schneller reingerutscht sind und füreinander verteidigt haben.“ Zudem habe man „von Anfang an gesagt, dass wir den Flügel doppeln müssen.“ Soleiman Kazizada und Haron Sabah machten unglaublich viele Wege und Läufe in die Defensive mit. „Ich glaube, die merken die nächsten zwei, drei Tage ihre Beine noch“, hatte Nitsch gut lachen. Auch, weil Merkle hinten in der Kette und Lasse Blöcker im Zentrum einen unglaublich guten Tag erwischten und alles wegräumten.

"Ein Riesen-Kompliment an die Mannschaft und auch an Tjark"

Haron Sabah (li.) dreht nach seinem Traumtor zum 3:1 jubelnd ab. Auch Tom Wohlers (2. v. re.) kann sein und das Glück der "Tauben" kaum fassen. Foto: Olaf Both

Als Sabah nach einem Querpass von Wohlers das vermeintlich vorentscheidende 3:1 noch verpasste (63.), schien eine Fußballer-Weisheit mehr denn je präsent zu sein: „Wer seine Chancen vorne nicht nutzt…“ Doch an jenem denkwürdigen Abend war alles anders. Norderstedt wirkte immer ratloser – und die Uhlenhorster machten den Deckel drauf. Der überragende Blöcker ließ zwei Mann ins Leere laufen und spielten einen perfekten „Diago“ auf Sabah, der die Kugel mit dem ersten Kontakt technisch fein mitnahm, nach innen zog, drei Schlenker machte und ebenso viele Gegenspieler austanzte, um das Spielgerät dann unter tosendem Jubel in den rechten Knick zu jagen (79.). Was für ein Tor!

Die Eintracht versuchte noch einmal alles, aber Paloma verteidigte mit unbändigem Willen und unheimlicher Leidenschaft. Als Grundmann auch noch gegen den eingewechselten Noah Awuku zur Stelle war (87.), war klar: Paloma hat die faustdicke Überraschung geschafft! „Natürlich hat man bei den ganzen Standards, die da mit gefühlt 400 km/h reinsegeln, immer Schiss, dass einer durchrutscht. Aber wir haben das leidenschaftlich und emotional, so wie es sich für den Pokal gehört, verteidigt“, richtete Nitsch „ein Riesen-Kompliment an die Mannschaft und auch an Tjark, dass er nicht lange gehadert, sondern sich hochgezogen und uns im Spiel gehalten hat. Natürlich hilft dann auch nochmal die Latte, aber ich fand, dass es jetzt auch kein Chancenfeuerwerk vom Gegner war. Wir hatten auch immer eigene Momente, so dass es am Ende schon ein verdienter Sieg ist. Ich bin super glücklich darüber, dass wir einen Regionalligisten schlagen konnten!“

"Hätte nicht gedacht, dass die uns so gewähren lassen"

Der Moment des Schlusspfiffs: Beim USC Paloma brechen alle Dämme. Der Oberligist hat den Favoriten eliminiert. Foto: Olaf Both

Nitsch gestand auch, dass er den in der Liga in beiden Spielen siegreichen Kontrahenten „gegen den Ball offensiver erwartet“ hätte, „das muss ich ehrlicherweise sagen. Ich hätte nicht gedacht, dass die uns so gewähren lassen. Denn das tat uns gut. Wir hatten eine gute Ballzirkulation und am Ende sogar echt dicke Dinger auf dem Fuß, so dass ich glaube, dass es insgesamt recht ausgeglichen von den Chancen war. Und das muss man gegen einen Regionalligisten erstmal hinkriegen.“

Paloma habe den entscheidenden Konter gesetzt, „weil wir wieder nicht konsequent genug verteidigt haben“, bemängelte Smith. „Und dann muss man am Ende auch ganz ehrlich sagen, dass das nicht unverdient ist und so ein Pokal-Abend aus unserer Sicht so einen beschissenen Lauf nimmt. Das ist ärgerlich und wir sind ziemlich am Boden. Das ist jetzt erstmal eine richtig herbe Klatsche!“ Klare und deutliche Worte von Smith. Denn das Ziel war klar und auch unmissverständlich formuliert: Der Pokal sollte wieder ins Edmund-Plambeck-Stadion kommen. „Heute darf jeder traurig und sauer sein. Und ich habe es eben auch schon zu den Jungs im Kreis gesagt: Hoffentlich ist jeder, der hier mit dem Eintracht Norderstedt-Logo auf dem Shirt rumrennt, in erster Linie sauer auf sich selbst, überdenkt seine eigene Leistung und geht damit ins Gericht. Denn das war heute leider nicht das, was wir uns erhofft haben und im Endeffekt auch zu wenig. Aber spätestens morgen müssen wir die Köpfe wieder hochnehmen.“

Autor: Dennis Kormanjos