Oberliga

Leinen los: Mit Gesprächen, Kopfarbeit und Wut im Bauch zum halben Dutzend!

23. März 2024, 02:19 Uhr

Muhamed Ajruli (li.) holt sich nach seinem Doppelpack und einer starken Leistung die lobenden Worte von seinem Cheftrainer Thomas Runge ab. Foto: Kormanjos

20 Minuten waren noch zu gehen, als Patrick Böhmker das Wort ergriff und seine Mannschaft noch einmal nach vorne trieb: „Kommt, Männer – wir haben noch Zeit! Das ist noch nicht verloren!“, klatschte er in die Hände – und pushte seine Teamkollegen. Nur wenige Augenblicke später folgte jedoch die bittere Erkenntnis: Auch im achten Spiel in Folge gab es für Böhmker und seinen TSV Buchholz 08 nichts zu ernten. Stattdessen setzte es eine herbe 2:6-Abreibung bei Concordia Hamburg (alle Highlights im LIVE-Ticker)! „Wir kämpfen momentan mit Verletzungen und versuchen, immer wieder Löcher zu stopfen. Allein innerhalb des Spiels haben wir aufgrund von Verletzungen dreimal umstellen müssen. Irgendwann ist das auch nicht mehr zu kompensieren. Und nach dem 2:4 war es dann auch eine Kraftfrage. Der Kopf macht dann nicht mehr so mit. Da war Cordi schon deutlich überlegen, das muss man so sagen“, gab Buchholz-Coach Thorsten Schneider unumwunden zu.

Buchholz-Angreifer Andre Fricke (re.) versucht, den Ball gegen zwei Widersacher im Spiel zu halten. Foto: Kormanjos

Der desaströse Auftritt beim USC Paloma (0:3) veranlasste Thomas Runge zu deutlichen Worten. Als nicht Oberliga-reif stufte er den Auftritt seiner Concorden ein – und kündigte eine Aufarbeitung an. Gesagt, getan. „Ich habe unter der Woche viele konstruktive Einzelgespräche geführt, um den Jungs zu helfen, damit sich das nicht im Kopf festsetzt. Bei so einer jungen Mannschaft, die vergleichbar mit kleinen, jungen Hunden, die spielen wollen, ist, muss man aufpassen, dass so etwas nicht zu einem Kopf-Problem führt“, fand Runge offenbar das richtige Mittelmaß. Denn: „Wir haben nicht nur Gespräche geführt, sondern auch sehr konzentriert trainiert.“

So konzentriert, dass der Cordi-Coach großen Optimismus versprühte: „Ich hatte heute – auch schon in der ersten Halbzeit – nicht das Gefühl, dass wir das Spiel aus der Hand geben. Das merkt man schon an der Stimmung vor dem Spiel und wie die Jungs dann in die Partie gekommen sind. Das war etwas ganz anderes als bei Paloma. Da hatte ich das Gefühl, ich kann machen, was ich will – da geht nichts. Und die Kunst ist, das dann abzuhaken. Das haben die Jungs heute richtig gut gemacht“, lobhudelte Runge seine Jungspunde – und verriet, dass er sich schon vor den 90 Minuten „ein paar Backups zurechtgelegt“ habe.

"Er ist ein Spieler, der brodelt, wenn er nicht in der Startelf steht"

Der starke Dennis Baffour (li.), der dem Spiel nach seiner Einwechslung zur zweiten Halbzeit die entscheidende Wende verpasste, im Duell mit Patrick Böhmker. Foto: Kormanjos

Was genau er damit meinte: Dass Farukhan Bulut als Linksverteidiger – inklusive früher Gelber Karte – einen rabenschwarzen Tag erwischen würde, das konnte Runge noch nicht ahnen. Dass die Option, Nikola Prom hinten rechts aufzubieten, eher einem Test galt, dagegen schon. Mit Eren Eröksüz brachte Runge schon nach 35 Minuten eine gewisse defensive Stabilität ins Spiel und erlöste den überforderten Bulut. Zur zweiten Halbzeit durfte auch Prom in der Kabine bleiben. Für ihn kam Dennis Baffour in die Begegnung. „Er ist ein Spieler, der brodelt, wenn er nicht in der Startelf steht“, berichtete Runge. „Man hat es ja gesehen: Der kommt rein und weiß gar nicht, wohin mit seiner Energie. Und heute war der Ball auch nicht so sehr sein Feind. Da hat er manchmal noch Schwächen. Aber das hat er toll gemacht!“

"Ärgerlich, dass wir zweimal postwendend den Ausgleich kriegen"

Mit zwei geschossenen Toren konnte Arbes Tahirsylaj (20 T.) in der Oberliga-Torschützenliste bis auf einen Treffer an Martin Harnik (21) heranrücken. Archivfoto: Heiden

Im wahrsten Sinne des Wortes: Mit purer Entschlossenheit servierte Baffour seinen Kameraden Arbes Tahirsylaj (64.) und Muhamed Ajruli (79.) die Treffer zum 4:2 und 6:2-Endstand auf dem Silbertablett! Ein Ergebnis, mit dem in den ersten 45 Minuten noch nicht ansatzweise zu rechnen war. „In der ersten Halbzeit habe ich uns gleichwertig gesehen, vielleicht sogar mit leichten Vorteilen für uns“, so Schneider, der damit sogar noch ein wenig tiefstapelte – denn: „Wir hatten die Möglichkeiten, auch noch ein drittes Tor zu schießen. Die Standards waren alle sehr gefährlich. Leider haben wir kein Kapital daraus schlagen können.“ Erschwerend hinzu kam: „Aus unserer Sicht ist das natürlich ärgerlich, dass wir zweimal in Führung gehen und postwendend den Ausgleich kriegen.“

"Das war eine super starke Kombination und schwer zu verteidigen"

Nach dem 1:0 durch Samed Skrijelj, der einen herrlichen Pass von Niklas Schulz mit Tempo an Jan Hoffelner vorbeilegte und ins verwaiste Gehäuse bugsierte (6.), dauerte es keine 240 Sekunden, ehe Cordi in Person von Noah Dahaba die passende Antwort parat hatte. Sein 20-Meter-Schuss nach Ablage von Jannik Mohr wurde so entscheidend abgefälscht, dass Ex-Cordi-Keeper Tim Burgemeister keine Anstalten machte, dem Ball hinterher zu hechten (10.). Das 2:1 für die Gäste aus der Nordheide – Skrijelj legte eine flache Hereingabe von Schulz in den Rücken der Abwehr für Andre Fricke ab, der trocken vollstreckte (23.) – hatte sogar nur 120 Sekunden Bestand. „Das haben sie hervorragend gemacht, das war eine super starke Kombination und schwer zu verteidigen“, lobte selbst Schneider den Gegner. „Nichtsdestotrotz müssen wir so eine Führung auch mal länger halten, um etwas mehr Sicherheit reinzukriegen.“

Zurück zum 2:2-Ausgleich: Im „On-Touch-Stil“ mit ganz viel Tempo kombinierten sich Almir Sulejmani, Andy Appiah sowie Ajruli und Tahirsylaj per Doppelpass durch. Ajruli startete durch, Tahirsylaj steckte tief – und der zweitbeste Cordi-Schütze veredelte sehenswert (25.)! Ein traumhafter Vortrag – aber die 08er steckten nicht auf und waren stets gefährlich. Vergleicht man allerdings die erste und die zweite Halbzeit der Gäste miteinander, so kam es urplötzlich zu einem Wandel um fast 180 Grad. „Cordi hat weiter Druck und Tempo gemacht. Wir hatten nicht mehr so viel entgegenzusetzen und auch Probleme mit den Umstellungen“, erwiderte Schneider – und fügte an: „Es kommen mehrere Sachen zusammen. Vielleicht waren wir nicht wach genug und nicht bereit genug direkt nach der Halbzeit. Wir haben keine Mittel mehr dagegen gefunden, für keine Entlastung mehr sorgen können – und was eklatant war: Wir hatten zu viele Abspielfehler im Aufbau, die dazu geführt haben, dass wir immer nur gegenangelaufen sind. Das kostet einfach Kraft.“

Personalmisere macht Buchholz zu schaffen

Dennis Baffour (re.) bereitete nach seiner Hereinnahme zwei Treffer mustergültig vor, so dass seine Teamkollegen Ajruli und Tahirsylaj keine Mühe mehr hatten. Archivfoto: Heiden

Ein weiterer entscheidender Grund: Die Ausfallmisere. „Du hast eine Aufstellung im Kopf und musst dann nach dem Training schon wieder überlegen und dir Gedanken machen, was du jetzt anders machst“, sprach Schneider darauf an, dass mit Rückkehrer Dominik Fornfeist und Leistungsträger Simon Keisef gleich zwei wichtige Akteure nach dem Abschlusstraining passen mussten. In der Halbzeitpause signalisierte schließlich Torben Rembacz, dass der Oberschenkel zwickt und es nicht weitergehen würde. „Das ist ein roter Faden, der sich im Moment durchzieht. Das kann keine Mannschaft kompensieren, wenn es nicht läuft“, urteilte Schneider, der zudem die „nicht so tolle Vorbereitung“ thematisierte. „Das hat man sicherlich auch gesehen, dass Cordi in der zweiten Halbzeit konditionell besser war.“

"Wenn wir die Qualität auf den Platz kriegen, ist es schwer gegen uns"

Und so ging es plötzlich nur noch in eine Richtung. Nach Doppelpass mit Caner Bektas ließ Sulejmani einen mächtigen Strahl aus 15 Metern ins kurze Kreuzeck ab – 3:2 (60.)! Zwischen den von Baffour mustergültig vorbereiteten Toren von Tahirsylaj und Ajruli sorgte der Top-Torjäger der Concorden mit einem direkten Freistoß vom linken Strafraumeck noch für das zwischenzeitliche 5:2, als er weder die Mauer noch Burgemeister gut aussehen ließ und mit dem linken Innenpfosten im Bunde war (73.)! „In der ersten Halbzeit waren die schon gefährlich, aber in der zweiten Halbzeit kam ja gar nichts mehr. Wenn wir die Qualität auf den Platz kriegen, dann ist es auch schwer, gegen uns zu spielen“, sah Runge genau die richtige Reaktion von seiner Rasselbande.

Autor: Dennis Kormanjos