Oberliga
Erst „niederschmetternd“, dafür mit Geduld, einem „super“ Joker – und dem kleinen Schönheitsfleck!
Die beiden Matchwinner des SC Victoria Hamburg in Jubelpose: Charles Kouakou (li.) und Emin Brobbey. Foto: Matthias Wenner
„Ob‘s verdient ist oder nicht, das ist eine ganz andere Geschichte“, wusste Peter Gößler, der den berufsbedingt und aufgrund seiner fünften Gelben Karte fehlenden Chefcoach Jörn Großkopf an der Seitenlinie vertrat, ganz genau, dass eine Führung für seine Alsterbrüder zu eben jenem Zeitpunkt nicht nur sehr schmeichelhaft, sondern auch enorm glücklich gewesen wäre. Aber: „Wenn ‚Konny‘ (Konrad Janta, Anm. d. Red.) da das 1:0 macht, dann läuft das Spiel natürlich ganz anders“, sprach der Co-Trainer des FCA auf die 68. Minute an. Da nämlich sah der eingewechselte Gian Luca Verago seinen Teamkollegen Konrad Janta starten. Der Ex-Victorianer war auf und davon, hatte die Führung auf dem Fuß, verstolperte aber die Ballan- und mitnahme vor Hendrik Rabe. „Das Glücksmoment ist momentan nicht auf unserer Seite“, haderte Gößler, um postwendend anzufügen: „Glück gibt es nicht. Glück muss man sich erarbeiten. Und das war natürlich die Riesenchance. Wenn dann direkt im Gegenzug das 0:1 fällt, dann ist so etwas natürlich bitter!“
Kouakou erlöst Vicky - Brobbey zieht auf
Schon vor dem Einschlag zur Führung durch Kouakou (li.) reckt Vorbereiter Brobbey die Arme in die Höhe. Foto: Matthias Wenner
Was seine Mannschaftskameraden zuvor – trotz etlicher Chancen – noch nicht hinbekamen, machte Charles Kouakou deutlich besser. Nach einer Balleroberung des kurz zuvor in die Partie gekommenen Emin Brobbey, dessen folgendes Tempo-Dribbling und dem perfekt getimten Steckpass behielt der Stürmer vor Moritz Junge die Ruhe – 1:0 (69.)! „Leider ist es momentan so: Wenn wir ein Gegentor bekommen, dass das zweite dann relativ schnell danach fällt. Und wenn du innerhalb von fünf Minuten drei Gegentore bekommst, dann...“, kann man in der Oberliga nur schwer etwas Zählbares mitnehmen, prangerte Gößler die Phase zwischen Minute 81 und 86 an.
854 Zuschauer sehen drei Tore binnen fünf Minuten
Das 3:0 für Vicky: Doppeltorschütze Kouakou (Mi.) jagt einer perfekte Vorlage von Brobbey unter die Latte. Foto: Matthias Wenner
Eine Phase, in der die Alsterbrüder vor 854 Zuschauern (!) an der Hoheluft auseinanderfielen. Zunächst verdoppelte Tayfun Can die Führung nach einem Foulspiel von Philipp Dechow an Nick Scharkowski mit einem Freistoß vom linken Strafraumeck. Vom Innenpfosten kullerte die Kugel am nicht allzu glücklich aussehenden Junge vorbei in die Maschen (81.). Und dann schlug wieder die Zeit des Duos Kouakou/Brobbey. Letzterer servierte dem Doppeltorschützen das 3:0 auf dem Silbertablett (83.), ehe sich Kouakou artig bedankte und völlig freistehend uneigennützig revanchierte, so dass Brobbey keinerlei Mühe mehr hatte (86.)!
Zwei Assists, ein Tor: Der 20-jährige Brobbey gab dem Derby nach seiner Hereinnahme die entscheidende Wendung. „Super!“, strahlte sein Trainer David Eybächer. „Er hat aber auch ein Tor verschuldet, wo er nicht aufgepasst hat“, suchte er das klitzekleine Haar in der Suppe, als eben jener Brobbey in der letzten Aktion des Spiels Benjamin Lerida nach einer langen Flanke von Janek Bundt aus den Augen verlor und dieser zum Endstand finalisierte (90. +3). „Makulatur ist das auf gar keinen Fall. Ich habe ihm schon direkt nach dem Spiel gesagt, dass er daraus einfach lernen muss und auch das ein Step im Prozess ist, dass wir noch besser und noch klarer werden müssen. Heute war es nicht spielentscheidend, aber so ein Moment kann spielentscheidend sein.“ Dennoch: „Seit drei Wochen trainiert er unfassbar gut. Aber wenn die Jungs es auch gut machen, dann gehört es eben auch mal dazu, geduldig zu bleiben und auf die Chance zu warten. Die hat er heute genutzt. Mal gucken, wie er nächste Woche trainiert“, ließ Eybächer ein kleines Augenzwinkern folgen.
"Victoria hat absolut verdient gewonnen"
In der 58. Spielminute wurde Emin Brobbey (li.) eingewechselt und hatte mit zwei Assists sowie einem Torerfolg massiven Anteil an der Derby-Revanche seiner Victorianer. Foto: Matthias Wenner
Und auch Gößler machte hinterher keinen Hehl daraus, dass „Victoria das Spiel absolut verdient gewonnen hat“. Schon in der ersten Halbzeit hätten die Hausherren die Weichen auf eine erfolgreiche Wiedergutmachung stellen können, wenn nicht gar müssen. Die Chancenverwertung war aber grob fahrlässig. „Ja, wir stehen Tief. Das ist unsere Idee. Aber wir waren viel zu passiv und konnten diese Nadelstiche, die wir in den letzten Spielen immer gesetzt haben, überhaupt nicht setzen. Wir haben zum Teil gar nicht stattgefunden und waren viel zu weit weg – gerade im Zentrum. Vicky hat eine gewisse spielerische Qualität, hatte aber auch die Geduld und vor allem die Zeit in der ersten Halbzeit. Von daher gehen wir glücklich mit dem 0:0 in die Halbzeit“, gab Gößler unumwunden zu, sah aber auch die erste nennenswerte Situation, in der Tim Algner nur um Haaresbreite an einer Hereingabe von Davidson Eden vorbei rutschte (9.).
„Unser Spiel ist momentan darauf ausgelegt, dass wir nicht so viele Chancen haben. Die, die wir dann haben, müssen wir konsequenter nutzen“, so Großkopfs rechte Hand. Und weiter: „Ich hatte das Gefühl, dass wir in der zweiten Halbzeit besser im Spiel drin waren. Wir waren aktiver gegen den Ball und hatten auch mehr Ballgewinne. Das Problem war, dass wir den Ball nicht lange halten konnten, sondern zu schnelle Ballverluste hatten. Das wird dann irgendwann auch eine Frage der Kraft und Kondition, wenn man immer nur dem Ball hinterherläuft und ihn selbst nicht laufen lässt.“
"Haben uns auf jeden Fall in gewissen Punkten verbessert"
Im Pokal behielt Vicky die Oberhand (2:0.). In der Hinrunde fertigten die Alsterbrüder den "großen Bruder" mit 7:2 ab - und nun feierte der SCV die Revanche. Foto: Matthias Wenner