Oberliga

„Das war oberste Schublade!“ – Orkanartiger Okan fegt über Süderelbe hinweg!

21. Oktober 2023, 17:27 Uhr

Okan Kurt (li.) glänzte bei seinem Startelf-Debüt für die TuS Dassendorf als Doppeltorschütze beim 3:0-Sieg gegen Süderelbe. Foto: Bode

„Das weiß ich nicht“, entgegnete Thomas Seeliger mit einem selbstbewussten Schmunzeln auf die Nachfrage, ob seine TuS Dassendorf in den ersten 45 Minuten die beste Halbzeit in dieser Saison gespielt habe (alle Highlights im LIVE-Ticker). Fakt sei aber: „Den Grundstein haben wir mit einer hervorragenden Leistung in der ersten Halbzeit gelegt“, sah der Cheftrainer des neuen Tabellenführers einen starken Auftritt seiner „Wendelwegler“ gegen einen Widersacher, vor dem man im Vorfeld „eine gehörige Portion Respekt“ hatte, wie Seeliger zugab. „Wer 49 Tore schießt, der hat eine gewisse Qualität. Deshalb wollten wir den Gegner nicht ins Spiel kommen lassen.“ Tat man auch nicht, sondern war selbst „griffig, bissig, sehr gut organisiert – und die Tore waren hervorragend rausgespielt. Das war oberste Schublade!“

Okan Kurt (li.) war von den Gästen - vor allem in der ersten Halbzeit - kaum zu halten. Foto: Bode

Gerade mal zwölf Zeigerumdrehungen waren vorüber, als Mattia Maggio auf dem besten Weg war, die Vorgaben seines Co-Trainers Mirko Petersen in die Tat umzusetzen. Während einer kurzzeitigen Unterbrechung schritt der Offensivakteur der TuS langsam in Richtung Trainerbank und flüsterte Petersen fragend ins Ohr: „Ist das schon mein Assist?“ Es folgte ein verschmitztes Grinsen, ehe Petersen auf Rückfrage aufklärte: „Ich habe ihm in der Kabine gesagt, dass ich heute ein Tor und ein Assist von ihm sehen will.“

Die Vorlage leistete Maggio bereits beim Führungstreffer – wenn auch eher unfreiwillig. Denn sein Torschuss nach Zuspiel von Len Aike Strömer fand über Umwege – Süderelbe-Keeper Anton von Westerholt wehrte nach vorne ab – den Weg zu Okan Kurt. Und der Neuzugang staubte bei seinem Startelf-Debüt zum 1:0 ab (12.)! Um es vorwegzunehmen: Ein eigener Treffer sollte Maggio nicht mehr gelingen. Dafür führten er und seine Teamkollegen bereits im ersten Abschnitt mehr als nur eine Vorentscheidung herbei – und wie! Beispiel: Vor dem 2:0 eroberten Kurt und Sven Möller im Pressing auf Höhe der Mittellinie den Ball. Und dann ging es ganz schnell. Viel zu schnell für die Gäste vom Kiesbarg. Über Harnik und Kurt kam die Kugel auf links zu Maggio, dessen Flanke von Harnik weitergeleitet und von Kurt selbst gekrönt wurde (26.). Alles mit dem ersten Kontakt – traumhaft gespielt!

"Wenn du aus einer Dreier- keine Fünferkette werden lässt, hat man die Räume"

Auch Martin Harnik (re.) erzielte sein obligatorisches Tor - diesmal völlig freistehend per Kopf nach einer Maggio-Flanke und wird von Sowah (li.) sowie Strömer geherzt. Foto: Bode

Süderelbe agierte mit einer Dreierkette. Doch sowohl Jerome Rapp als auch Maximilian Arlt und Ljubisa Panic fehlte jegliche Handlungsschnelligkeit. Hinzu kam, dass die hoch stehenden Außenverteidiger in der Rückwärtsbewegung viel zu spät zurückeilten. So entstanden immer wieder Lücken, die Dassendorf bespielte. „Es ist natürlich immer so eine taktische Geschichte. Wenn du aus einer Dreier- keine Fünferkette werden lässt, dann hat man die Räume. Wir haben es schön breit gemacht und deswegen hatten sie Probleme, richtig durchzuschieben“, erkannte Seeliger. So auch beim dritten Treffer, als Maggio auf dem linken Flügel alle Zeit der Welt hatte und das Spielgerät perfekt auf den Kopf von Martin Harnik servierte. Dieser wird im Laufe seiner Karriere selten so freistehend zum Abschluss gekommen sein – 3:0 (30.)!

Süderelbe mit großem Aderlass

Jerome Rapp (vo.), der den rechten Innenverteidiger in der Dreierkette spielte - hier im Duell mit Lennard Sowah -, offenbarte Defizite im Defensivverhalten. Foto: Bode

Noch vor der Pause reagierte Süderelbe-Coach Stefan Arlt und nahm die überforderten Moritz Kwamena Hayford und Koray Klatte vom Platz (41.). Angesichts von neun Ausfällen – darunter diverse Leistungsträger wie Jorge Camacho, Justin Heinbockel, Nico Reinecke, Marius Wilms oder auch Arthur Filimonov – war die Personaldecke ohnehin schon sehr dünn. 

„Natürlich hat das auch immer was damit zu tun. Die wenigsten Mannschaften haben so eine Kaderbreite in der Qualität, wie Dassendorf. Wenn da mal vier, fünf Spieler fehlen, kriegen die auch noch elf Top-Spieler auf die Platte. Die Frage ist dann nur: Wie viele hat man noch hintenraus? Wenn aber, wie bei uns heute, acht, neun oder sogar zehn Mann fehlen, dann tut das schon ein bisschen weh. Aber ich würde das niemals als Entschuldigung nehmen. Wir haben ja heute gespielt. Aber natürlich sind das Spieler, die, wenn sie gesund sind, ziemlich sicher spielen. Die Tore haben wir allerdings aus anderen Gründen gekriegt“, so Arlt.

"Heute reichten ein Harnik und ein Kurt"

Seine Erklärung für die Schlampigkeit in der Defensivarbeit und die Gegentore: „Wir haben die Bedingungen und Umstände nicht so angenommen, wie wir das eigentlich die ganze Woche über besprochen haben. Wir waren ein bisschen zu tief beim Verteidigen und so war es für Dassendorf zu leicht bei zweiten Bällen. Du musst genug Höhe mit deiner Abwehr haben, damit die Räume für zweite Bälle noch erreichbar sind. Aber das haben wir nicht so gut gemacht. Wir hätten etwas mutiger verteidigen können. Dann bist du dichter am zweiten Ball oder aber der erste Ball hat mehr Tiefe in die andere Richtung und es ist nicht ganz so leicht für den Gegner. Und wenn der Ball doch kommt, musst du schneller fallen. Da hatten wir so ein paar Probleme.“ Obwohl man in der Mitte eigentlich in Überzahl war, „reichten heute ein Harnik und ein Kurt. Da waren wir nicht aufmerksam genug“, befand Arlt, dessen Mannen gleich zu Beginn eigentlich gut rauskamen und ganz leichte Vorteile hatten. „Das ist immer gefährlich. Ich hatte da schon leichte Magenprobleme“, gestand der Süderelbe-Übungsleiter.

Okan Kurt (li.) nimmt nach seinem Doppelpack die Glückwünsche von Sven Möller entgegen. Foto: Bode

Mit der klaren Führung im Rücken spielte die TuS ihren Stiefel in den zweiten 45 Minuten souverän und abgeklärt runter. Zum Ärger von Torjäger Harnik, der mit dem Schlusspfiff schimpfte: „Zu wenig – meine Fresse!“ Denn es blieb beim 3:0. Trotz diverser weiterer Einschusschancen und einer numerischen Überzahl ab der 65. Minute, als Mustafa Ercetin aufgrund einer vermeintlichen Beleidigung glatt Rot sah. 

„Die Geste war zweideutig. ‚Musti‘ ist keiner, der Leute beleidigt. Da musst du cool mit umgehen“, sprach Arlt auf einen vorangegangenen Schubser gegen seinen Akteur an – und meinte: „Wir sind in der einen oder anderen Situation von den Schiedsrichtern mehr als fair behandelt worden.“ Womit er vor allem die Szene in der 17. Minute meinte, als Osman Güraltunkeser gegen Maggio einen Schritt zu spät kam und diesen deutlich hörbar am Fuß traf. Der fällige Elfmeterpfiff von Referee Jarno Wienefeld (VfL Lohbrügge) blieb aber aus. Arlt: „Bei dem Zweikampf hatten wir ein bisschen Glück.“

"Die haben ihre ganze körperliche Stabilität und Wucht zur Geltung gebracht"

Beim Spielstand von 0:3 in der 65. Minute sah Mustafa Ercetin die Rote Karte. Spätestens da war es mit der Aufholjagd vorbei. Foto: Bode

Apropos Güraltunkeser: Der beste Torjäger der „Kiesbargler“ hatte auch die größte und zugleich einzige Chance seines FCS in den gesamten 90 Minuten, als er ein Geschenk von Maximilian Ahlschwede aber nicht anzunehmen wusste, weil Christian Gruhne stark entschärfte (58.). „Unterm Strich ein hochverdienter Sieg für Dassendorf. Die haben ihre ganze körperliche Stabilität und Wucht zur Geltung gebracht“, gratulierte Arlt dem Kontrahenten sportlich äußerst fair.

Das Fazit von Seeliger: „Als Trainer bist du ja nie zu 100 Prozent zufrieden. Natürlich musst du das eine oder andere Tor mehr machen und die eine oder andere Situation besser ausspielen. Aber wenn das Spiel am Ende 3:0 ausgeht, dann verkraftet man das natürlich leichter. Die Jungs haben das ganz gut verwaltet und eigentlich nichts zugelassen. Wenn da mal was war, dann eher aus einem eigenen Fehler resultierend. Insgesamt war das eine tolle Leistung.“ Das Vorhaben, den FC Süderelbe nicht oben rankommen zu lassen, hat man untermauert. „Deshalb war es wichtig, den Dreier einzufahren und gegen eine Mannschaft, die eine hohe Qualität hat, ein Ausrufezeichen zu setzen. Heute können wir sehr zufrieden sein.“

"Das macht eine Mannschaft aus, die auf Strecke da stehen möchte, wo sie jetzt steht"

Okan Kurt (li.) - hier im Duell mit Prince Dzigbede - war der "Man of the Match" für die TuS Dassendorf und erhielt auch lobende Worte von seinem Cheftrainer. Foto: Bode

Sehr zufrieden konnte Seeliger auch mit seinem bärenstarken Doppeltorschützen Okan Kurt sein. Der Mittelfeldspieler unterstrich, weshalb sich der Serienmeister um die Dienste des Ex-Profis bemüht und letztlich auch gesichert hat. „Okan ist im besten Fußballer-Alter. Er kommt aus einer höheren Spielklasse, wo unter Profi-Bedingungen gearbeitet wurde, und ist ein Spieler, der mit der Kugel umgehen kann, das Auge für seinen Mitspieler hat und sich auch taktisch gegen den Ball gut verhält. Es hat mich sehr gefreut, dass er bei uns unterschrieben hat, weil ich wusste, dass er uns weiterhilft und in der Breite noch besser aufstellt.“ 

Eine Breite, die auch zur Gefahr werden kann. „Natürlich ist es so: Wenn alle gesund sind und man unsere Bank heute gesehen hat, dann ist natürlich eine extrem hohe Qualität vorhanden und es sitzen auch mal Spieler draußen, die bei anderen Mannschaften Stammspieler wären.“ Aber genau diese Qualität in der Breite „macht eine Mannschaft aus, die auf Strecke da stehen möchte, wo sie jetzt steht“, so Seeliger abschließend.

Autor: Dennis Kormanjos

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