Neuer Glanz fürs Vicky-Logo? „Es war nicht abzusehen, dass wir so schnell zusammenfinden“

SCV-Coach Jean-Pierre Richter lässt das erste Saisondrittel Revue passieren

19. Oktober 2017, 14:19 Uhr

Steht zum ersten Mal in seiner Trainer-Karriere auf Platz zwei der Oberliga: Vicky-Coach Jean-Pierre Richter. Foto: Heiden

Zwölf Spiele der Saison 2017/2018 sind in der Oberliga absolviert – also etwas mehr als ein Drittel der Spielzeit. Der SC Victoria steht derzeit auf dem zweiten Tabellenplatz. 26 Punkte hat die Mannschaft von Trainer Jean-Pierre Richter bisher eingefahren. Überdies ist der SCV auch im laufenden ODDSET-Pokalwettbewerb noch mit von der Partie, trifft in selbigem am 31. Oktober im Achtelfinale auswärts auf den Staffelkonkurrenten Wedeler TSV, gegen denen es in der Liga bereits einen deutlichen 6:1-Sieg gab. Eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. Wir haben mit Coach Richter darüber gesprochen, was sich an der Hoheluft in der nahen Vergangenheit getan hat. Oder besser gesagt: über das, was sich abseits der Hoheluft getan hat.

Denn, die Kenner von Hamburgs Amateur-Fußball-Oberhaus wissen es: bislang hat der SCV in der laufenden Serie noch nicht ein einziges Heimspiel bestritten. „Schuld“ ist der Umbau des Platzes an der Hoheluft vom Rasen- zum Kunstrasenplatz. „Klar, der Heim-Auswärts-Rhythmus fehlt uns. Aber es ist ein Privileg, dass wir bei all unseren Spielen bisher das Heimrecht tauschen durften und das auch in den nächsten Wochen noch der Fall ist. Alle gegnerischen Vereine haben mit Rücksicht und Verständnis reagiert. Alleine hätten wir so etwas gar nicht durchboxen können. Das zeigt, wie gut das Verständnis der Clubs in der Oberliga untereinander ist. Ich bin dankbar dafür“, sagt „Jonny“ Richter.

„Ebbers und Kruk haben einen Mehrwert für die Mannschaft“

„Die beiden haben einen Mehrwert für die Mannschaft“, sagt Richter (Mi.) über Co-Trainer Marius Ebbers (re.) und Torwart-Trainer Benjamin Kruk. Foto: SCV

Es zeigt aber auch: Mit dem SC Victoria ist in dieser Saison zu rechnen. Schon vor dem Start in die Spielzeit gab es diverse Trainer wie zum Beispiel Teutonia-Coach Sören Titze, die Vicky für eine Platzierung weit oben auf dem Zettel hatte. Die bisher eingefahrenen 26 Zähler sind an sich aller Ehren wert, wenn man den Fakt dazu nimmt, dass eben kein einiger Heim-Punkt darunter ist, ist die Bilanz noch einmal höher einzuschätzen. Und da wären ja noch zwei andere Umstände: die nicht unbedingt vollkommen gelungene Vorsaison des SCV und die Tatsache, dass die Mannschaft im Sommer erst einmal einer personellen Radikalkur unterzogen wurde. „Ich muss schon sagen, dass die Vorbereitungszeit und die die Planungssicherheit ganz schmal waren. Nach dem Einschnitt im Winter mussten und wollten wir etwas verändern. Im April waren wir nur Elfter in der Tabelle. Unsere Darstellung und die sportliche Wahrnehmung waren nicht gut, wir standen zwischenzeitlich mit dem Rücken zur Wand. Trotzdem: Wir haben ein richtig gutes Finish mit Platz vier in der Abschlusstabelle hingelegt“, befindet Richter, der nach der Trennung vom damaligen Coach „Jasko“ Bajramovic im April bis zum Saisonende in verschiedenen Konstellationen noch als Liga-Manager auch auf der Bank (mit)verantwortlich war.

Im Juni dann fiel – vergleichsweise spät – die Entscheidung des Vereins, Richter ab dem 1. Juli 2017 auch richtig zum Coach zu machen. „Wir mussten mit Demut anfangen nach einem Jahr mit Höhen und Tiefen“, erklärt Hamburgs „Trainer des Jahres 2016“ (eigene Bilanz als SCV-Coach und Übergangs-Coach: 22 Spiele, vier Niederlagen in der Oberliga, vier Siege im Pokal). Und „Jonny“ musste – nein, besser: wollte – mit einem neuen „Team ums Team“ starten: An seiner Seite fungieren seit Beginn der Vorbereitung Marius Ebbers als Co- und Benjamin Kruk als Torwarttrainer. „Ich glaube, dass es mit den beiden als Assistenten vom ersten Tag an toll funktioniert hat – sowohl sportlich als auch menschlich. Benny und Ebbe haben auch für die Mannschaft einen Mehrwert“, konstatiert der Übungsleiter, der diverse Spieler, die er unter anderem beim FC Süderelbe schon gecoacht hat, an die Hoheluft lotste und den Kader auch an weiteren Stellen mit guten Akteure ergänzte und verbesserte. „Wir haben im Trainingslager daran gearbeitet, auf einen Nenner zu kommen. Dort haben wir klasse gearbeitet – auch im zwischenmenschlichen Bereich“, so Richter.

„Wir dürfen uns nicht für das Erreichte etwas feiern lassen, sondern müssen weiter brennen“

Neuzugänge unter sich: Klaas Kohpeiß, André Monteiro Branco und Vincent Ermisch (v. li.) stießen im Sommer zum SCV. Foto: KBS-Picture

Die Erfolge, die der SCV nun feiere, „sind ein Lohn für die Arbeit, die wir Woche für Woche leisten“, schreibt Richter seinem Team (Durchschnittsalter: 22 Jahre) auf die Fahnen. Selbiges musste allerdings auch Rückschläge hinnehmen: viele Verletzte. Zuletzt fehlten Stützen wie Dennis Lohmann, Felix Schuhmann oder aber Mirco Bergmann. Dennis Bergmann brauchte nach seinem Kreuzbandriss lange, um wieder völlig fit zurück zu sein. Furkan Aydin pausiert derzeit nach einem Kreuzbandriss, Robin Schmidt fehlt bereits seit langer Zeit. „Das summiert sich“, sagt Richter, „auch, weil uns in Teilen der Vorbereitung Spieler gefehlt haben. Umso höher ist es dem Team anzurechnen, wie schnell wir gewachsen sind. Es war nicht absehbar, dass wir so schnell zusammenfinden.“ Unabhängig davon, wer auf dem Platz stehe, attestiert „Jonny“ Richter seiner Equipe „eine sehr starke Umsetzung“ seines fußballerischen Konzepts, dessen Ziel es ist. „die Strahlkraft als SC Victoria zurückgewinnen. Wir wollen attraktiven und technischen anspruchsvollen Fußball spielen. Ich bin froh, dass alle sehr ordentlich mitziehen. Wir hatten von vornherein eine klare Linie, wie wir die Ideen und unsere Philosophie umsetzen. Wir haben eine Dynamik im Team – das bestärkt mich.“

Dass „das Vicky-Logo schon wieder glänzt“, wie Richter feststellt, liege daran, „dass die Jungs Spaß haben, anspruchsvolle Ideen umzusetzen. Für uns war es wichtig, den Kader innerhalb eines halben Jahres homogen zu gestalten und zu gucken: Wie passt es, wer bringt uns wo weiter.“ Da wären zum Beispiel Len Aike Strömer, Nick Scharkowski und Klaas Kohpeiß in der Offensive, die „Jonny“ als „magisches Dreieck“ bezeichnet: „Durch sie haben wir eine hohe Flexibilität vorne. Aber auch die, die dahinter die Transferleistung bringen, haben sich nochmal verbessert. Luca Ernst oder André Monteiro Branco zum Beispiel.“ Das seien „richtig wichtige Bausteine“, urteilt Richter, „wir befinden uns in einem guten Flow. Wir arbeiten hart und kriegen nichts geschenkt.“ Aus seiner Sicht hätte der SCV „auch in Spielen, in denen wir nicht zwingend besser waren, Punkte geholt. Wir sind mehr als im Soll. Das ist eine richtig tolle Entwicklung.“ Aber keine, auf der man sich ausruhen kann: „Wir dürfen nicht den Fehler machen, uns für etwas feiern zu lassen, was wir erreicht haben. Wir müssen auch die nächsten Monate brennen“, stellt der Vicky-Coach unmissverständlich fest.

„In Dassendorf haben wir nicht funktioniert und deshalb dort nicht gepunktet“

Den Victoria-Misserfolg in Dassendorf konnte auch der in dieser Saison sonst so starke Len Aike Strömer nicht verhindern. Foto: KBS-Picture

Denn für den Coach ist klar: „Wir haben noch Luft nach oben, müssen die Entwicklung weiter ankurbeln und in der Defensive noch mehr Sicherheit gewinnen.“ Hohe Ansprüche für jemanden, dessen Elf im ODDSET-Pokal „bisher nur ein Gegentor kassiert hat“, wie Richter unterstreicht. Aber: es gibt eben auch Gegenbeispiele. Momente, in denen es nicht so glatt lief. Das Spiel bei der TuS Dassendorf zum Beispiel. „Dort haben wir nicht funktioniert und aus genau diesem Grund eben dort auch nicht gepunktet“, gibt sich Richter kritisch. Ist die TuS also doch noch eine Nummer zu groß für den SCV und der Blick auf den Platz an der Sonne verbietet sich nicht nur wegen der zehn Zähler Rückstand, die Vicky derzeit auf die „Wendelwegler“ (36 Punkte) hat? 


„Dass die TuS Dassendorf da steht, wo sie steht, ist ein Produkt der Arbeit, die dort geleistet wird, und der Tatsache, dass man sich da vor der Saison noch einmal gut verstärkt hat“, erkennt Richter an. „Wir sind nicht so weit, dass wir jedes Spiel gewinnen können. Wir schauen nicht auf Dassendorf oder andere Teams über oder unter uns. Für mich ist es wichtig, dass ich weiß, wie wir den Weg der Weiterentwicklung weiter beschreiten“, sagt der 30-Jährige, der „noch nie als Trainer auf Platz zwei in der Oberliga stand.“ Wer den analytischen Arbeiter und positiv fußball-verrückten Richter kennt, der weiß, dass er allerdings auch nichts dagegen hätte, irgendwann mal aus der „Eins“ zu stehen...

Jan Knötzsch